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Boos-John: Agrarministerkonferenz unterstützt Thüringer Antrag zur Einführung einer Risikorücklage für Landwirtschaftsbetriebe


Herbstsitzung der Agrarminister in Heidelberg: Kritik an EU-Vorschlägen für künftige Agrarförderung ab 2028 / Grundlegende Überarbeitung von Wiederherstellungsverordnung und Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gefordert

Die Agrarministerkonferenz der Länder (AMK) fordert die Bundesregierung auf, eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage für Agrarbetriebe einzuführen, die von schlechtwetterbedingten Ernteausfällen betroffen sind. Die entsprechende Initiative hatte Thüringen auf die Tagesordnung der AMK-Herbsttagung im baden-württembergischen Heidelberg gesetzt. Sie freue sich, dass die anderen Bundesländer den Vorstoß Thüringens einhellig unterstützten, sagte Agrarministerin Colette Boos-John. „Landwirtschaft ist vom Wetter abhängig. In den letzten Jahren hat die Häufigkeit von Extremwetterereignissen deutlich zugenommen. Mit der Ausgleichsrücklage wollen wir deshalb ein Instrument zur Eigenvorsorge schaffen, damit solche Risiken beherrschbar bleiben und nicht zur Existenzbedrohung für unsere Betriebe werden.“ Nachdem schon jahrelang darüber diskutiert worden sei, sei es nun an der Zeit, bei diesem Thema endlich Nägel mit Köpfen zu machen. „Die Landwirte in ihrem betrieblichen Risikomanagement zu unterstützen, ist allemal besser, als in Krisensituationen immer wieder staatliche Ad-hoc-Hilfen zu leisten“, so die Ministerin.

Für die Umsetzung einer solchen Risikorücklage seien verschiedene Modelle denkbar, sagte die Ministerin weiter. Normalerweise speise sie sich bis zu einer Maximalhöhe aus Gewinnen, die in zurückliegenden Jahren erwirtschaftet worden seien, und dürfe nur unter bestimmten Auflagen wieder aufgelöst werden – insbesondere zur Bewältigung von Einnahmeausfällen in Krisenjahren. Die Rücklagenbildung könne aus ihrer Sicht freiwillig, die Entnahme der Mittel aus dem Fonds solle steuerfrei sein. Auch die Bundesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrrag für die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage für Landwirtschaftsbetriebe ausgesprochen. Mit dem heutigen Beschluss hat die AMK die Bundesregierung aufgefordert, nunmehr die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Risikoausgleichsrücklage umgehend zu erarbeiten, damit diese zum 30. Juni 2026 in Kraft treten kann.

Den Schwerpunkt der diesjährigen AMK-Herbstsitzung bildete indessen eine gemeinsame Positionierung der Landwirtschaftsminister zu den Vorschlägen der EU-Kommission für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2028. Nach den Kommissionsvorschlägen soll das Budget der GAP von 387 auf 300 Millionen Euro gekürzt, die Direktzahlungen an die Landwirtschaftsbetriebe auf 100.000 Euro gekappt und die Förderung insgesamt degressiv gestaltet werden. „Die Landwirtschaft soll qualitativ hochwertige Lebensmittel bereitstellen, Einkommen sichern und attraktive Arbeitsplätze bieten, Umwelt und Biodiversität schützen und den ländlichen Raum stärken. All das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die europäische Agrarpolitik muss daher mit einem ausreichend finanzierten Haushalt untersetzt werden“, fasste Boos-John die zentrale Forderung der AMK zusammen.

Deutschland erhält derzeit jährlich 6,3 Milliarden Euro, Thüringen 270 Millionen Euro aus der GAP. Die Mittel fließen u.a. in die Einkommenssicherung, betriebliche Investitionen, den Tier-, Landschafts- und Umweltschutz oder die Förderung des ländlichen Raums.Die drohenden Einschnitte bei der Agrarförderung gehen auf die Planungen der EU-Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 zurück. Neben Mittelkürzungen im Agrarbereich solle in der Folge auch die bisherige Eigenständigkeit der GAP und damit das bisher eigenständige Förderbudget für den ländlichen Raum oder den Landschafts- und Tierschutz aufgegeben werden. Aus ostdeutscher Perspektive seien darüber hinaus auch die geplante Degression und Kappung der Direktzahlungen kritisch zu bewerten. „Damit würden die historisch gewachsenen landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen in den neuen Ländern massiv benachteiligt“, sagte Boos-John. „Das ist keinesfalls zu akzeptieren.“ 

Dies wird auch von dem überwiegenden Teil der Agrarminister sowohl der ost- als auch der westdeutschen Länder so gesehen, die sich auf die gemeinsame Forderung an die EU verständigt haben, die geplanten Degression und Kappung der Direktzahlungen durch eine fakultative und flexible Regelung zu öffnen. „Auf großes Unverständnis ist bei den meisten Länderkolleginnen und  kollegen dabei allerdings gestoßen, dass sich die drei grünen Agrarminister aus Niedersachsen, Hamburg und Bremen dieser Forderung nicht anschließen wollten und dafür ausdrücklich auch die Zerstörung der landwirtschaftlichen Betriebsstrukturen in den neuen und teilweise auch ihren eigenen Ländern billigend in Kauf nehmen würden“, sagte die Thüringer Landwirtschaftsministerin.

Einstimmig konnten sich die Agrarminister auf ihrer Konferenz immerhin auf eine Reihe weiterer Forderungen und Vorschläge verständigen, die die Bundesregierung nunmehr in die weiteren Verhandlungen zur nächsten GAP einbringen soll. Zu diesen Forderungen gehören insbesondere:

  • eine ausreichende finanzielle Ausstattung der GAP mindestens auf Höhe des gegenwärtigen Budgets;
  • der Erhalt der GAP als eigenständiger Fonds, der exklusiv zur Förderung der Landwirtschaft und der Entwicklung ländlicher Räume zur Verfügung steht;
  • die langfristige Absicherung der finanziellen Förderung des ländlichen Raums, insbesondere der Dorferneuerung.

Weitere wichtige Themen waren aus Thüringer Sicht schließlich auch die geplante EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur sowie das geplante Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Beide Vorhaben stellten die Länder und die landwirtschaftlichen Betriebe vor gravierende finanzielle und bürokratische Hürden und seien in der aktuellen Form nicht umsetzbar, sagte die Landwirtschaftsministerin.

  • Bei der Wiederherstellungsverordnung sieht eine Mehrheit der Bundesländer – darunter Thüringen – den Zeitplan als unrealistisch, die Finanzierung als ungeklärt und die Umsetzung als nicht praktikabel an und fordert den Bund daher auf, sich auf EU-Ebene für eine grundlegende Überarbeitung einzusetzen.
  • Auch das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz weist nach Auffassung der Ländermehrheit erhebliche Mängel auf. So benachteiligt es ohne erkennbaren Mehrwert für die Verbraucher inländische Tierhaltungsbetriebe, indem die Kennzeichnungspflicht nur für diese, nicht aber für ausländische Lebensmittelproduzenten gelten soll. Das mit dem Gesetz angepeilte Ziel einer Verbesserung des Tierwohls werde zudem dadurch konterkariert, dass die Bundesregierung die Bundesförderung des Stallumbaus und der höheren Haltungskosten einstellen will.

„Die AMK ist deshalb mehrheitlich der Auffassung, dass diese beiden Regelungswerke so nicht in Kraft treten können, sondern noch einmal grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt werden müssen“, so Boos-John. Als Kompass für die anstehende Überarbeitung müsse gelten, dass jegliche Ausweitung bürokratischer Belastungen für die Landwirtschaftsbetriebe strikt zu vermeiden sei. „Im Gegenteil müssen wir endlich dazu kommen, bürokratischen Ballast und damit auch Kosten zu reduzieren.“


Stephan Krauß
Pressesprecher
 

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