Thüringens Landwirtschaftsministerin Colette Boos-John hält ein Ende der Landflucht in Deutschland mittelfristig für möglich. „Die Abwanderung aus ländlichen Gebieten in die großen Ballungszentren ist kein unentrinnbares Schicksal“, sagte die Ministerin gestern bei einem Treffen mit Thüringer Akteuren des ländlichen Raums. Es gebe viele Möglichkeiten, für eine höhere Attraktivität des ländlichen Raums zu sorgen – von der Digitalisierung über bessere Infrastrukturen, ÖPNV-Anbindung und Grundversorgung bis hin zur Förderung von Gewerbe, Gründungen und Arbeitsplätzen. Der Freistaat investiert jährlich rund 60 Millionen Euro in die ländliche Entwicklung Thüringens.
Studien prognostizieren für große, vor allem ländlich geprägte Teile Ostdeutschlands bis zum Jahr 2030 Bevölkerungsverluste von mehr als zehn Prozent. „Diesen Trend können wir nicht umkehren, aber zumindest verlangsamen, vielleicht sogar stoppen“, so Boos-John. Dieser Herausforderung müsse jede Politik für den ländlichen Raum sich stellen. „Unser Ziel als Landesregierung ist es, Thüringens ländliche Regionen zu Zukunftsregionen zu machen, die mit einem attraktiven Lebens- und Arbeitsumfeld wieder mehr Menschen anziehen.“
Die Urbanisierung stoße allmählich an ihre Grenzen, so Ministerin weiter. Steigende Mieten in den Großstädten und die Möglichkeit zur Telearbeit sorgten für eine neue Attraktivität dörflicher Siedlungsstrukturen. „Hinzu kommt, dass Werte wie Heimat und sozialer Zusammenhalt angesichts von Globalisierung und gesellschaftlicher Zerrissenheit inzwischen wieder höher im Kurs stehen. Ich bin überzeugt, dass wir eine neue Renaissance des Landlebens sehen werden.“
An dem gestrigen Treffen im Thüringer Landwirtschaftsministerium nahmen Vertreter u.a. von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, des Thüringischen Landkreistags, der Ingenieurkammer, des Landseniorenverbands, des Vereins Landvolkbildung sowie mehrerer Regionaler LEADER-Aktionsgruppen teil. Gesprächsthemen waren u.a. der zunehmende Verwaltungs- und Kontrollaufwand in den europäischen Programmen zur Förderung der Landwirtschaft und des ländlichen Raums (wie z.B. im LEADER-Programm), mögliche Änderungen im Vergaberecht sowie bestehende Förderansätze des Landes etwa bei der Förderung von Kleinstunternehmen der Grundversorgung oder beim Regionalbudget.
Der Freistaat setzt zur Unterstützung der ländlichen Entwicklung jährlich rund 60 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds (ELER) und der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) ein. Schwerpunkte der Förderung liegen
- auf der Verbesserung der Grundversorgung etwa bei Lebensmitteln, Gastronomie und im medizinischen Bereich;
- der Unterstützung von Kleinstunternehmen, Gründungen und Beschäftigungsmöglichkeiten;
- der Schaffung von Wohnraum und dem Erhalt historischer Bausubstanz;
- dem Bau und der Sanierung von Dorfstraßen, Dorfangern, kombinierte Landwirtschafts- und Radwegen;
- sowie dem Ausbau von Freizeitangeboten und Naherholungsmöglichkeiten.
Neben Geld seien aber vor allem auch gute Ideen und private Initiativen vor Ort gefragt, so die Ministerin weiter. Dafür brauche es Konzepte, Erfahrungsaustausch und funktionierende Netzwerke aller beteiligten Akteure. „Mein Ziel ist es deshalb, die ‚Akademie Ländlicher Raum‘ als eine Art ‚Thinktank‘ für die Entwicklung der ländlichen Regionen und der Landwirtschaft wieder zu aktivieren und zu stärken. Wir brauchen einen Impulsgeber, der die Dinge kontinuierlich antreibt.“
Stephan Krauß
Pressesprecher