Thüringens Wirtschaftsministerin Colette Boos-John reist heute zu wirtschaftlichen und politischen Gesprächen nach China. Begleitet wird sie von einer rund 40-köpfigen Delegation aus Unternehmern, Kammer- und Branchenvertretern sowie wirtschaftsnaher Forschung. Stationen der Reise, die vom 18. bis zum 24. Oktober dauert, sind Peking, Shanghai, Ningde und Changzhou. Auf dem Programm stehen Unternehmensbesuche, Investorenmeetings und Workshops. Die Ministerin wird u.a. die Unternehmen CATL, Xiaomi, Beijing Aero Engine Services Co. Ltd., Baolong, Wanbang Starcharge und das Changzhou Technician College besuchen. Daneben trifft sie auch Vertreter des chinesischen Handelsministeriums sowie der Stadtregierungen von Ningde – dem Hauptsitz des chinesischen Batteriezellenherstellers CATL – und Changzhou. Organisiert wird die Reise von der LEG Thüringen (Thüringen International) und dem Thüringer Wirtschaftsministerium mit Unterstützung der Deutschen Botschaft und der Außenhandelskammer (AHK) in China.
„China ist neben den USA inzwischen die global dominierende Wirtschaftsmacht – daran führt für eine exportorientierte Wirtschaft wie unsere kein Weg vorbei“, sagte die Ministerin heute zum Auftakt der Reise. Allerdings müssten die Handelsbeziehungen in das Reich der Mitte künftig wieder „besser austariert“ werden. Aktuell stammt mehr als ein Viertel (26 Prozent) aller von Thüringen importierten Waren aus dem ostasiatischen Land (Gesamtvolumen: knapp 4,6 Milliarden Euro). Umgekehrt geht nur ein Sechzehntel (6,1 Prozent bzw. 1,1 Milliarden Euro) aller Thüringer Exporte in die Volksrepublik. Auch wenn ein Teil dieser Entwicklung auf Zulieferungen an den Batteriezellenhersteller CATL in Arnstadt zurückzuführen sei, spiegele sich in diesen Zahlen insgesamt doch eine Abhängigkeit, „die volkswirtschaftlich ungesund für uns ist“, so Boos-John. Um sie zu reduzieren, müsse Thüringen einerseits seine Handelsbeziehungen zu anderen Ländern ausbauen – andererseits aber auch weiterhin seine Exportchance auf dem chinesischen Markt suchen. „Genau dazu soll unsere Delegationsreise einen Beitrag leisten“, sagte die Ministerin. Es gehe darum, trotz aller Restriktionen Marktchancen und Kooperationsmöglichkeiten in China auszuloten, aber auch für den Standort Thüringen zu werben.
„China bleibt für Deutschland wie auch für Thüringen ein wichtiger, wenn auch herausfordernder Partner“, sagte die Ministerin weiter. Trotz des bestehenden Handelsbilanzdefizits ist China der viertgrößte Zielmarkt für Thüringer Exportgüter – nach den USA, Polen und Großbritannien. Zudem gibt es aktuell 50 chinesische Tochterfirmen und Beteiligungen im Freistaat. Damit zählt China schon heute zu den wichtigsten Herkunftsländern für Direktinvestitionen in Thüringen und sichert mehrere tausend Arbeitsplätze im Land. Einerseits bestünden also enge und etablierte wirtschaftliche Verflechtungen, betonte Boos-John. Andererseits erlebe man auch negative Auswirkungen des chinesischen Wirtschaftsmodells – Überkapazitäten, Handelsungleichgewichte und Regulierungen, die die deutsche Wirtschaft auf dem chinesischen Markt zunehmend unter Druck setzten. „Auch die verschärften Exportkontrollen bei seltenen Erden machen uns Sorgen“, so Boos-John. Zwar müssten solche Fragen und Probleme vor allem auf Bundes- und EU-Ebene thematisiert und gelöst werden, so die Ministerin. „Ich habe aber nicht vor, kritische Punkte bei meinen Gesprächen in China auszusparen. Ich glaube, eine gute Partnerschaft muss es aushalten, dass es auch einmal Meinungsverschiedenheiten geben kann.“
Zur Thüringer Delegation zählen Unternehmen aus den Bereichen Energie- und Elektrotechnik, Sensorik, Optik, Messtechnik und Automobilzulieferung, zwei Fraunhofer-Institute, zwei Hochschulen (TU Ilmenau, Ernst-Abbe-Hochschule Jena), das Thüringer Innovationszentrum Mobilität (ThIMo), das ERFURT Bildungszentrum (EBZ), die Branchennetzwerke OptoNet Jena und Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk (ThEEN) sowie die IHKs in Erfurt und Suhl, die Ingenieurkammer und die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung (STIFT). Chancen für die Thüringer Wirtschaft ergeben sich nach Einschätzung Boos-Johns in China vor allem in High-Tech-Branchen wie der Optik, Pharmazie, Messtechnik, Sensorik, Maschinenbau und Medizintechnik, aber auch in der wirtschaftsnahen Forschung. Die Nachfrage nach Maschinen und elektronischen Geräten bleibe kontinuierlich hoch, aufgrund des wachsenden Fachkräftemangels werde in China verstärkt auch Automatisierungstechnik nachgefragt. Vor dem Hintergrund neuer, höherer Klimaschutzziele, die Staatschef Ji Xinping unlängst verkündet hatte, erwarte man künftig auch eine erhöhte Nachfrage nach Energietechnologien. Darüber hinaus interessiere sich die Thüringer Delegation auch für die Auswirkungen des demografischen Wandels, bei dem sich China inzwischen ebenfalls großen Herausforderungen gegenübersieht.
Thüringen sei zuletzt im Jahr 2018 mit einer offiziellen Delegation in China gewesen – „höchste Zeit also, wieder Präsenz zu zeigen, Kontakte zu knüpfen und offensiv nach Absatzmöglichkeiten für unsere Produkte zu suchen“, so Wirtschaftsministerin Boos-John. Zu den wichtigsten Ausfuhrgütern Thüringens in China zählen derzeit optische Geräte, Maschinen, elektrische Ausrüstungen und pharmazeutische Erzeugnisse.
Stephan Krauß
Pressesprecher