Als „sauren Apfel, in den die EU beißen musste, um einen Handelskrieg abzuwenden“ hat Thüringens Wirtschaftsministerin Colette Boos-John die Einigung im Zollstreit mit den USA bezeichnet. Es bleibe Spekulation, ob angesichts der wirtschaftlichen Stärke der EU nicht ein besseres Verhandlungsergebnis möglich gewesen wäre. „Das Ergebnis ist bitter und wird gerade die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen.“ So könnte das deutsche Bruttoinlandsprodukt nach einer Schnellanalyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) um 0,15 Prozent bzw. 6,5 Milliarden Euro sinken. Insgesamt sei dieses Ergebnis jedoch immer noch besser als gar kein Ergebnis, so die Ministerin weiter: „Zumindest gibt es jetzt wieder eine gewisse, wenn auch teuer erkaufte, Planungssicherheit für die Unternehmen. Das monatelange Tauziehen ist erst einmal beendet.“ Details und offene Fragen der Einigung müssten nun schnell geklärt und die Vereinbarung dann noch von den 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.
Zu den offenen Fragen zählt die Ministerin beispielsweise die Laufzeit der Einigung. „Die jetzige Einigung braucht Verbindlichkeit über einen möglichst langen Zeitraum“, sagte Boos-John. In die transatlantischen Handelsbeziehungen müsse endlich wieder Ruhe einkehren. „Das heißt, wir erwarten, dass weitere Zolldrohungen mit der Einigung dann wirklich und endgültig vom Tisch sind.“
Weitere zu klärende Details sind aus Sicht der Ministerin bestimmte sektorale Regelungen – etwa für Halbleiter, Arzneimittel oder Stahl und Aluminium. Im Hinblick auf den Stahlsektor hatte es zuletzt widersprüchliche Aussagen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump gegeben. Während von der Leyen eine Kappung der bisherigen Strafzölle und eine Kontingentlösung für Stahl und Aluminium ankündigte, hatte Trump davon gesprochen, dass die bisherigen 50-Prozent-Zölle weiterhin gelten würden. „Solche Punkte müssen nun zügig ausgeräumt werden“, sagte Boos-John. „Die EU sollte hier ihr gesamtes wirtschaftliches Gewicht in die Waagschale werfen, um weitere Benachteiligungen für die europäischen und deutschen Exporteure zu verhindern.“
Inwieweit tatsächlich allein die EU die Kosten des Zoll-Abkommens tragen werde, sei für sie allerdings noch eine offene Frage, so die Wirtschaftsministerin weiter. „Nicht nur die EU, auch die USA werden den Deal teuer bezahlen müssen.“ So gehen Wirtschaftsexperten davon aus, dass die gestern bekanntgegebene Vereinbarung das US-amerikanische Wirtschaftswachstum spürbar bremsen werde. Viele europäische Hersteller, etwa im Maschinenbau oder Pharmabereich, seien aufgrund ihrer starken Marktposition in der Lage, höhere Einfuhrzölle zumindest teilweise an die amerikanischen Verbraucher weiterzugeben. Hohe Zölle auf Stahl und Aluminium wiederum würden dazu führen, dass amerikanische Unternehmen diese Vorprodukte teurer einkaufen müssten als ihre europäischen oder asiatischen Konkurrenten – zu Lasten ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
„Mit einem Wort: Nicht nur die Europäer, sondern auch die Amerikaner sind Verlierer von solchen Handelsbarrieren. Ich hoffe, dass wir das Zollpaket noch einmal völlig neu aufschnüren können, wenn sich diese Erkenntnis in einigen Jahren hoffentlich wieder durchgesetzt hat. Aus meiner Sicht muss der Abbau aller Zollschranken zwischen Nordamerika und Europa im Rahmen eines echten Freihandelsabkommens das langfristige Ziel der europäischen Außenhandelspolitik bleiben.“
Stephan Krauß
Pressesprecher