Thüringens Wirtschaftsministerin Colette Boos-John hat Politik, Gewerkschaften und Betriebsräte eingeladen, sich intensiver in die Diskussionen um die Zukunft der Automobilwirtschaft einzubringen. „Wir verfügen über gute Formate wie den ‚Branchendialog Automobil‘, um über die Herausforderungen zu sprechen und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln“, sagte die Ministerin in Erfurt. Vorschläge, wie sie heute nach einer Fraktionssitzung der Thüringer Linken gemeinsam mit Gewerkschaftern aus der Automobilbranche vorgetragen worden seien, könnten dort auch gemeinsam mit den Unternehmens- und Branchenvertretern erörtert werden. „Ich setze grundsätzlich auf die Bereitschaft aller Akteure, sich konstruktiv in diesen Prozess einzubringen – von den Unternehmen über die Branchenverbände bis zu Politik, Betriebsräten und Gewerkschaften.“ Für die üblichen „Untergangs- und Katastrophenszenarien“ oder Schuldzuweisungen an „ferne Konzernzentralen“ sei hier allerdings kein Platz. „Wir wollen die Situation realistisch analysieren und dann machbare Handlungsoptionen entwickeln.“
Dabei sei klar: Nicht alle Probleme der Automobilindustrie könnten im Land selbst gelöst werden. Die Landespolitik unterstütze die Branche aber mit einem breiten Spektrum an Förder-, Beratungs- und Dialogangeboten – von der Investitionsförderung über Beteiligungsfonds (mit neuen Angeboten wie dem Mittelstandsfonds II und ThüringenKredit) über die Unterstützung von Transformationsnetzwerken InSuM (Interieur for Sustainable Mobility) und die Förderung des Branchenverbands automotive thüringen e.V.
Die Wirtschaftspolitik des Landes sei darauf ausgerichtet, Investitionen in neue Technologien, Märkte und Geschäftsfelder zu unterstützen. So hat das Wirtschaftsministerium die Automobilwirtschaft seit 2014 allein in der Investitionsförderung mit knapp 60 Millionen Euro unterstützt und damit Gesamtinvestitionen von gut 380 Millionen Euro in Betriebserweiterungen, neue Geschäftsfelder und Produkte angestoßen.
Vom Bund und der EU erwarte man vor allem, bessere Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen. „Den Unternehmen ist am besten geholfen, wenn wir die Energiepreise auf ein wettbewerbsfähiges Niveau senken, bürokratische Vorgaben und Regulierungen abschaffen und endlich den Handlungsspielraum dafür schaffen, die vorhandenen Probleme unternehmerisch zu lösen.“
Mit Blick auf die Forderung der Linken nach einem weiteren Transformationsfonds sagte die Ministerin, es mangele dem Land nicht an geeigneten Beteiligungsangeboten. „Über die bestehenden Beteiligungsfonds wie den Mittelstandsfonds, den Zukunftsfonds oder den Wachstumsbeteiligungsfonds unterstützen wir Gründungen, Wachstum, Transformation, Innovation und Nachfolgeregelungen von Unternehmen jeder Größe“, so die Ministerin. Insgesamt stehen hier derzeit rund 70 Millionen Euro für Unternehmensbeteiligungen zur Verfügung. „Wir haben also bei den Beteiligungsfonds keine Angebotslücke“, sagte Boos-John. „Wenn die Linke jetzt aber weitere Mittel bereitstellen möchte, um die bestehenden Fonds aufzufüllen, werde ich mich dem sicherlich nicht entgegenstellen.“
Die Ministerin warnte allerdings davor, das künftige Heil der Automobilwirtschaft in einer Verstaatlichung angeschlagener Betriebe zu suchen. „Aus meiner Sicht ist ein solcher Ansatz zynisch, weil er die vorhandenen Probleme nicht löst, sondern ihre Lösung noch erschwert“, so die Ministerin. „Eine Verstaatlichung führt nur dazu, dass am Ende eben nicht ein privates Unternehmen, sondern ein Staatsbetrieb aufgeben muss – und auf dem Weg dahin noch viel Steuergeld verbrennt. Das ist der falsche Ansatz.“ Ohnehin seien Beteiligungen oder die Förderung von Unternehmen in Schwierigkeiten durch das europäische Beihilferecht ausgeschlossen. „Ich denke, es ist nicht hilfreich, hier immer wieder falsche Hoffnungen zu wecken.“
Der Strukturwandel sei mit schmerzhaften Einschnitten verbunden, so die Ministerin weiter. Man müsse jedoch aufpassen, die Branche nicht schlechtzureden. Mit knapp 13.500 Beschäftigten und knapp vier Milliarden Euro Umsatz bleibe die Automobil- und Zulieferindustrie einer der wichtigsten Industriezweige im Freistaat. Mit Unternehmen wie CATL, Marquardt oder Nissha gebe es auch eine Vielzahl positiver Entwicklungen in der Thüringer Automobil- und Zulieferbranche zu verzeichnen.
Stephan Krauß
Pressesprecher