Die Automobilindustrie befindet sich derzeit im schwierigsten und tiefgreifendsten Transformationsprozess ihrer Geschichte. Das sagte Thüringens Wirtschaftsministerin Colette Boos-John heute am Rande des Branchentags Automotive in Jena. Für die „üblichen Katastrophen- und Untergangsszenarien“ habe sie allerdings kein Verständnis. „Der Strukturwandel ist unvermeidbar. Deshalb müssen wir versuchen, ihn soweit wie möglich mitzugestalten. Alle unsere Analysen zeigen, dass wir diese Herausforderung meistern können. Dafür braucht es aber Mut zur Veränderung und die Bereitschaft aller Akteure, sich konstruktiv in diesen Prozess einzubringen – von den Unternehmen über die Branchenverbände bis zu den Betriebsräten und Gewerkschaften.“
Wie die deutsche sei auch die Thüringer Automobilwirtschaft spätestens seit 2019 in ein unruhiges Fahrwasser geraten, so die Ministerin weiter. Seither ist die Zahl der Betriebe in Thüringen um 16, die Zahl der Beschäftigten um 21 und das Umsatzvolumen um 15 Prozent gesunken. „Der Strukturwandel geht nicht spurlos an der Branche vorbei und ist mit schmerzhaften Einschnitten verbunden“, so die Ministerin. Zugleich bleibe die Automobil- und Zulieferindustrie mit knapp 13.500 Beschäftigten und knapp vier Milliarden Euro Umsatz einer der wichtigsten Industriezweige im Freistaat. Mit Unternehmen wie CATL, Marquardt oder Nissha gebe es auch eine Vielzahl positiver Entwicklungen in der Thüringer Automobil- und Zulieferbranche zu verzeichnen.
Bei der Bewältigung des Strukturwandels bestehe die Aufgabe der Politik vor allem darin, gute Rahmenbedingungen für unternehmerische Betätigung zu schaffen. „Die Unternehmen benötigen mehr Investitions- und Handlungsspielräume, um in neue Technologien, Märkte und Geschäftsfelder zu investieren. Dafür setzen wir uns als Land ein.“ Dies bedeute beispielsweise, dass Energie- und Bürokratiekosten sinken, die Fachkräfteverfügbarkeit verbessert, unternehmensgetriebene Forschungsaktivitäten intensiviert und verlässliche Förderanreize geschaffen werden müssten. Staatliche Belastungen und Vorgaben sollten auf ein Minimum reduziert werden.
Nicht alle diese Probleme könnten im Land selbst gelöst werden. Die Landespolitik unterstütze die Branche aber mit einem breiten Spektrum an Förder- und Dialogangeboten – vom bestehenden umfangreichen Förderinstrumentarium (mit neuen Angeboten wie dem Mittelstandsfonds II und ThüringenKredit) über die Unterstützung von Transformationsnetzwerken InSuM (Interieur for Sustainable Mobility) und die Förderung des Branchenverbands automotive thüringen e.V. bis hin zum neu aufgelegten Branchendialog „Automobilindustrie Thüringen“.
Mit dem Branchendialog wolle das Land gemeinsam mit allen Akteuren der Automobilbranche nach den besten Antworten auf die anstehenden Herausforderungen suchen. Alle seien eingeladen, sich an diesem Dialog zu beteiligen und ihre Vorschläge dort einzubringen. „Eine Kernaufgabe des Branchendialogs besteht darin, neue Wachstumsperspektiven für die Branche zu entwickeln.“ Die Chancen dafür stünden grundsätzlich gut, so Boos-John. So werde der Produktbereich „Antriebstechnologie“ angesichts der Elektrifizierung zwar an Bedeutung verlieren. Dies könne nach verschiedenen vom Wirtschaftsministerium beauftragten Analysen jedoch durch einen Umsatz- und Beschäftigungsaufbau in anderen automobilen Produktbereichen – vor allem bei „Elektrik/Elektronik“, aber auch „Interieur“ und „Exterieur/Karosserie“ – kompensiert werden.
Stephan Krauß
Pressesprecher